Vorwärtskommen, dich entwickeln und im Job wachsen – wie selbstbewusstes Kommunizieren dir helfen kann, deine Ziele zu erreichen
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Mitwirkende: Deidree Tjokrosetio, Laura Winkens, Morris Ameyaw Yiadom und Sofie Schuller

Du steckst fest
Du beginnst in einer neuen, vielleicht sogar deiner ersten Stelle. Du warst begeistert, als du die Stellenausschreibung gesehen hast, denn die Aufgaben dieser Stelle schienen genau das zu sein, was du in einem Job suchst. Die Aufgaben scheinen herausfordernd und neu für dich zu sein. Du hast es erfolgreich durch das Bewerbungsverfahren geschafft und die neue Stelle im neuen Unternehmen angetreten. Nach ein paar Wochen hast du dich in die täglichen Aufgaben und den Arbeitsrhythmus eingefunden und stellst fest, dass du demotiviert, gelangweilt und unterfordert bist. Anfangs hat es dich nicht gestört, da du verstehst, dass man dir nicht viel Verantwortung überträgt, bis du dich mit dem Unternehmen und der Arbeit besser auskennst. Aber jetzt hast du das Gefühl, dass du an dem Punkt bist, den nächsten Schritt zu tun. Es vergeht noch einige Zeit und dein Vorgesetzter hat nicht die Möglichkeit angesprochen, neue Aufgaben zu übernehmen. Du hast das Gefühl, dass du solltest dies selbst in die Hand nehmen. Aber wie gehst du dieses Gespräch mit deinem Vorgesetzten an? Im Podcast gibt Sirbin Fetter einen Einblick in selbstbewusste Kommunikation am Arbeitsplatz, während dieser Artikel das Thema von einem theoretischen Standpunkt aus erschließt.
Hilfe aus Kommunikationswissenschaft und Psychologie
Dir steht ein schwieriges Gespräch bevor: Einerseits willst du für Ihre Bedürfnisse einstehen, andererseits willst du nicht aufdringlich wirken. Ein nützlicher Mittelweg in der Kommunikation ist die so genannte „selbstbewusste Kommunikation“. Selbstbewusste Kommunikation (assertive communication) zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwei Aspekte ausbalanciert: erstens, für die eigenen Bedürfnisse, Rechte oder Grenzen einzutreten, und zweitens, die Meinung, Ansichten, Ressourcen und Bedürfnisse des Gesprächspartners zu berücksichtigen und zu respektieren. Die Kunst besteht darin, den Spagat zwischen passiver Kommunikation (passive communication), bei der man möglicherweise Kompromisse eingeht, um den Bedürfnissen des anderen entgegenzukommen, und aggressiver Kommunikation (aggressive communication), bei der der andere völlig außer Acht gelassen wird, zu meistern.

Diese drei Arten der Kommunikation werden oft im Hinblick darauf beschrieben, wer gewinnt:

Selbstbewusste Kommunikation kann sehr abstrakt erscheinen, da es in jedem Gespräch mit einer anderen Person unterschiedliche Grenzen dafür gibt, was als „aggressive“ Kommunikation wahrgenommen wird. Um die Sache etwas weniger abstrakt zu machen, haben Forscher eine Liste mit verbalen und nonverbalen Kommunikationspraktiken erstellt, die wir als selbstbewusst, aber nicht als aggressiv wahrnehmen:
Nonverbale Praktiken
- Direkter Augenkontakt: vermittelt den Eindruck, dass die Person nicht eingeschüchtert ist
- Selbstbewusste Körperhaltung: ein starkes Auftreten das nicht zu aggressiv aber auch nicht schwach wirkt
- Tonfall: sollte bestimmt, aber nicht aggressiv sein (z. B. die Stimme erheben)
- Gesichtsausdruck: Wichtig ist, keine Wut oder Angst auszudrücken
- Timing: man muss ein Gefühl für soziale Interaktion haben, um zum richtigen Zeitpunkt selbstbewusst zu kommunizieren (z. B. während einer Projektsitzung ist es wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt um anzusprechen, dass man generell mehr Verantwortung im Unternehmen haben möchte)
Verbale Praktiken
- Klarheit: verwende spezifische Worte, die die Bedürfnisse klar zum Ausdruck bringen
- Nicht bedrohlich: vermeide Beschuldigungen oder Drohungen (z. B.: „Du machst das besser, sonst…“)
- Positiv: eine Bitte sollte positiv formuliert werden (z. B. „Ich habe mit dem Entwurf für den Projektplan begonnen, würdest du bitte deinen Beitrag dazu leisten? Das wäre großartig!“) ist zielführender als eine negative Aufforderung (z. B. „Du hast noch nicht an dem Projektplan gearbeitet, kannst du das tun?“)
- Keine Kritik: auch wenn es verlockend sein mag, ist es wichtig, sich selbst (z. B. „Ich bin überempfindlich“) oder andere („Warum bist du so gemein?“) nicht zu kritisieren, wenn man selbstbewusst aufzutreten will.
Von der Theorie zur Praxis
Dennoch kann selbstbewusste Kommunikation eine neue Art sein, sich auszudrücken. Deshalb haben wir einige praktische Tipps, Tricks und Techniken zusammengestellt, die dir bei der Entwicklung deiner selbstbewussten Kommunikationsfähigkeiten helfen können!
Zunächst einmal lässt sich selbstbewusste Kommunikation durch kleine Veränderungen in den Wörtern die du verwendest ausdrücken. Verben können viel implizite Bedeutung haben für die Art und Weise, wie du deine Bedürfnisse formulierst. Zum Beispiel: „Ich brauche anspruchsvollere Aufgaben, weil ich mich langweile“ im Vergleich zu „Ich will anspruchsvollere Aufgaben, weil ich weiß, dass ich mit ihnen wachsen kann“. Durch die Verwendung von „wollen“ bleibt der Handlungsrahmen bei dir und dein Gesprächspartner hat die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu erläutern. Als Faustregel gilt, verwende „will“ anstelle von „brauche“, „werde“ anstelle von „sollte“ oder „könnte“, „möchte“ anstelle von „muss“. Am einfachsten ist es, dies in deinem Alltag zu üben. Hören dir selbst zu, wie du deine Sätze intuitiv formulierst, und versuche diese kleinen Änderungen bei der Verwendung verschiedener Verben zu machen. Die nonverbale Kommunikation kann manchmal etwas schwieriger sein. Am besten ist es, ein Beispiel dafür zu sehen. Deshalb haben wir einen nützlichen TedTalk über selbstbewusste Körpersprache verlinkt. Der spannende Video-Beitrag rund um den Effekt von Körpersprache ist sehr bildreich allerdings auf Englisch, also schalte gerne bei Bedarf mittels „cc“-Button die deutschen Untertitel ein.
Im Idealfall kannst du dich auf ein Gespräch vorbereiten, wie in dem Beispiel am Anfang dieses Artikels. In der Vorbereitung kann dir die Technik des „Skripting“ helfen, deine Argumente und die Art und Weise, wie du diese präsentierst, zu raffinieren. Das Skripting folgt einem vierstufigen Muster für den Aufbau deiner Argumente.
- Das Ereignis. Erzähle deinem Gegenüber genau, wie du die Situation oder das Problem siehst.
„Ich habe meine Stelle in diesem Unternehmen vor über zwei Monaten angetreten. Ich habe mich mit der Struktur und dem Arbeitsablauf meiner Position vertraut gemacht, aber mir werden weiterhin einfache Aufgaben zugewiesen.“ - Deine Gefühle. Beschreibe, wie du dich in dieser Situation fühlst, und drücke deine Gefühle klar aus.
„Ich habe das Gefühl, dass mein Potenzial nicht ausreichend genutzt wird. Dadurch fühle ich mich unterschätzt und meine Arbeit fordert mich nicht heraus. Für mich ist es wichtig, mich in meinem Beruf weiterzuentwickeln und ständig zu lernen.“ - Deine Bedürfnisse. Sage der anderen Person genau, was du von ihr brauchst, damit sie nicht raten muss.
„Seien Sie ehrlich zu mir und lassen Sie mich wissen, ob Sie glauben, dass ich ein anspruchsvolleres Projekt übernehmen kann und ob es die Möglichkeit gibt, dies in absehbarer Zeit zu tun.“ - Die Konsequenzen. Beschreibe die positiven Auswirkungen, die dein Anliegen für die andere Person oder das Unternehmen haben wird, wenn deine Bedürfnisse hinreichend erfüllt werden.
„In einem neuen Projekt/ mit anspruchsvolleren Aufgaben werde ich motivierter sein, zu wachsen und zu lernen. Ich werde neue Kontakte im Unternehmen knüpfen und meine Fähigkeiten, mein Wissen und meine Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen können.“
Indem du dich auf deine Seite des Gesprächs konzentrieren, vermeidest du es, die andere Person in die Enge zu treiben. Wenn du dich an die Vier-Schritte-Struktur hältst, kann dein Gesprächspartner alle Aspekte deiner Perspektive, der Situation, deine Gefühle und deine Bedürfnisse besser verstehen. Fang am besten damit an, die wichtigsten Punkte des Gesprächs im Voraus zu notieren, damit du keine Schwierigkeiten hast deinen Standpunkt klar darzustellen, wenn es an der Zeit ist, Position zu beziehen.
Selbstbewusste Kommunikation nebenher lernen
Selbstbewusste Kommunikation ist eine Fähigkeit, für die du einige Zeit brauchen wirst, um sie zu meistern. Die gute Nachricht ist, dass du das jeden Tag Stück für Stück üben kannst. Verwende verschiedene Verben in deiner täglichen Kommunikation, übe deine Körpersprache vor einem Spiegel, probiere mal Skripting für ein Gespräch in dem es nichts Wichtiges geht. Wo fängst du am besten an? Versuche an eine Situation aus der letzten Zeit zu denken, in der du das Gefühl hattest, den Kürzeren gezogen zu haben. Vielleicht warst du nicht in der Lage, für Ihre Bedürfnisse einzustehen. Diese Situation kann zum Beispiel sein, dass du das dritte Mal in Folge den Müll runtergebracht hast, obwohl eigentlich dein Mitbewohner oder Partner an der Reihe gewesen wäre. Wie kannst du das, was du gerade über selbstbewusste Kommunikation gelesen hast, nutzen, um diese Situation zu ändern? Wenn du mit kleinen Anpassungen in der selbstbewussten Kommunikation beginnst, schaffst du dir die notwendige Übung, um auch in deinem Job mehr von dem zu bekommen, was du willst.
Podcast zu selbstbewusstem Kommunizieren mit Gastexperte Sibren Fetter (auf Englisch)
Hier findest du alle weiteren Artikel und Podcasts unserer Serie zu Kommunikation für dein Berufsglück:
- Einleitung – Wie hilft Dir Kommunikation dabei Berufsglück zu erlangen?
- Die Kunst des Verhandelns – ein schwieriger Balanceakt zwischen sozialen Beziehungen, vertraglichen Vorzügen und finanziellen Möglichkeiten
- Niemand mag Konflikte – Also lass uns versuchen Konflikte leichter zu lösen
Über die Mitwirkenden
Deidree, Laura, Morris und Sofie sind Master-Studierende der Maastricht University und Teil des PREMIUM Honours Programme. Zusammen mit happy2learn bringen sie dir diese Open Educational Resource.
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Quellen
- Bishop, S. (2013). Develop Your Assertiveness. London, UK: Kogan Page Limited.
- Gatchpazian, A. Assertive Communication: Definition, Examples, & Techniques. Berkeley Well-Being Institute.
- MindTools. Assertiveness – Asking for What You Want Firmly and Fairly.
- Pipaş, M., & Jaradat, M. (2010). Assertive communication skills. Annales Universitatis Apulensis Series Oeconomica, 12, 649–656.